2010 Die fetten Jahre sind vorbei
Schauspiel nach dem Film von Hans Weingartner
Bühnenfassung von Gunnar Dreßler
Schlosstheater Celle, 2010
Ausstattung: Birgit Bott
Jan: Ronald Schober
Jule: Gabriela Lindlova
Peter: Marcel Schälchli
Hardenberg: Hartmut Fischer
Auszug aus der Kritik der Celleschen Zeitung vom 18.01.2010
(...) Dicht am Zuschauer bleibt Regisseur Lars Wernecke im jüngsten Stück am Schlosstheater. In seiner Inszenierung von „Die fetten Jahre sind vorbei“ geht es im Malersaal ohrenbetäubend und mit Volldampf zur Sache. Das Premierenpublikum am Freitagabend konterte mit lautstarkem Applaus.
Von wegen kleiner Malersaal. Das Premierenpublikum erlebte am Freitagabend im Schlosstheater die wundersame Metamorphose des sonst recht überschaubaren Raumes zum Durchgangzimmer für drei weitere, nicht sichtbare Spielorte. Hinter der einen Tür das Telefon, hinter der nächsten der Pool, hinter der dritten der Weg nach draußen. Ein kluger Schachzug von Regisseur Lars Wernecke. Sind es doch vier Unruhegeister, die in „Die fetten Jahre sind vorbei“ nach dem gleichnamigen Film von Hans Weingartner ständig viel Platz und Rückzugmöglichkeiten brauchen.
Doch von vorn: Jan und Peter, gespielt von Ronald Schober und Marcel Schälchli, rebellieren gegen das Bürgertum und „Bonzen“. Sie brechen in Villen ein. Mitgehen lassen sie dabei nichts, stattdessen stellen sie das Mobiliar auf den Kopf. Als Jule (Gabriela Lindlova), erst Peters, dann Jans Freundin, einsteigt, hat der Spaß ein jähes Ende. Topmanager Hardenberg (Hartmut Fischer) überrascht sie und wird kurzerhand entführt. Zwischen dem Bonzen und den Idealisten entwickelt sich eine eigenartige Beziehung.
Wernecke lässt das Publikum nicht außen vor. Neben direkten Ansprachen Aug in Aug darf mal der Suppenteller gehalten werden, oder die Zuschauer übernehmen die Rolle von Disco-Besuchern, zwischen denen sich das Trio drängelt. Auch sonst macht es der Regisseur unmöglich, in den 90 Minuten auszusteigen. Wimmernde Musik, flackerndes Licht, Gerenne, Gebrülle. Das kühle Grau der Kulisse (Bühne: Birgit Bott), Betonklötze mit spärlichen Requisiten, schafft Distanz. Es entsteht eine Welt, die abschreckt und zugleich fasziniert, so auch die ziellose Energie der drei Akteure. (...)
Schälchlis und Lindlovas laute Töne (...) heben sich überzeugend ab von ihren feinfühlig gespielten, leisen Momenten. Hartmut Fischer sammelt Sympathiepunkte als Alt-68er, die er behält, als er gesteht, jetzt „müde zu sein“, aber trotz seiner angehäuften Millionen nicht glücklich. Am Ende löffeln sie einträchtig ihr eingebrocktes Süppchen aus, das, wenn man den Elektroherd versehentlich anlässt, auch schon mal überraschend heftig dampfen kann.
Der Nachgeschmack bleibt bitter: Ein Patentrezept gegen die Erkrankung der Gesellschaft gibt es nicht. Ein beeindruckender Abend.
Auszug aus der Kritik der Hannoverschen Allgemeinen vom 18.01.2010
Sie lassen es mächtig krachen. Sie verwüsten reicher Leute Villen und lieben sich auf dem Küchentisch. Jan, Jule und Peter haben der herrschenden Klasse den Kampf angesagt. "Die fetten Jahre sind vorbei" - dies ist der Gruß, den sie bei ihren Einbrüchen in den Häusern der Reichen hinterlassen. Bis sie eines ihrer Opfer entführen und etwas näher kennenlernen.
Dies ist der Stoff eines Films von Hans Weingartner, der 2004 in den Kinos anlief und international viel gelobt wurde. Im Malersaal des Schlosstheaters Celle ist jetzt die gleichnamige Bühnenversion von Gunnar Dreßler zu sehen: "Die fetten Jahre sind vorbei." Etliche der gut 40 Zuschauer, die sich in dem kleinen Raum halbkreisförmig um die Bühne gruppiert haben, werden von den Akteuren per Handschlag begrüßt und auch sonst immer wieder einbezogen. Das Publikum sitzt mitten im Geschehen und spielt (notgedrungen) mit.
Der Kontrast zum plüschigen Schlosstheater nebenan könnte kaum größer sein. Belustigt lassen sich die Zuschauer in Celle zu Komplizen der anarchischen Akteure machen und freuen sich diebisch, wenn bei der Planung der Villenbesuche eine Karte der Region Celle entfaltet wird und zum Beispiel der Vorort Boye ins Spiel kommt ("wo das Arschloch wohnt"). (...)
Dabei hat sich Regisseur Lars Wernecke einiges einfallen lassen. Bewundernswert ist, wie der kleine schmucklose Raum genutzt wird, um Phantasieräume zu eröffnen und eine komplexe Geschichte aktionsreich über die Bühne zu bringen - mit Punkmusik und Lichteffekten. (...)
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