2010 Die 39 Stufen
Die 39 Stufen
Schauspiel nach Alfred Hitchcock und John Buchan
Bühnenfassung von Patrick Barlow
Schlosstheater Celle, 2010
Inszenierung: Lars Wernecke
Bühnenbild: Odilia Baldszun
Kostüme: Andrea Göttert
Richard Hannay: Thomas Wenzel
Annabella Smith, Pamela, Margaret: Sara Wortmann
Mann 1: Werner H. Schuster
Mann 2: Lajos Wenzel
Fotos: Jochen Quast
Auszug aus der Kritik der Celleschen Zeitung vom 15.03.2010
Sehr viel turbulenter geht es nicht: Wilde Jagd ist los im Schlosstheater
Ein Darsteller spielt ein Verkehrsschild, ein anderer einen Aschenbecher: Wenn die Besetzungsliste eines Theaterstücks solche Details enthält, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht unbedingt um eine klassische Tragödie handelt. In der Tat richtet sich die Inszenierung von "Die 39 Stufen" eindeutig an die Spaßfraktion. Und die war bei der Premiere im Schlosstheater Celle sehr angetan.
John Buchan und Alfred Hitchcock werden als Autoren der Kriminalkomödie "Die 39 Stufen" genannt, die indes dem Filmemacher deutlich mehr zu verdanken hat als dem Romanautor - und Patrick Barlow, Schöpfer der Theaterfassung, hat natürlich auch sein Scherflein beigetragen. Hauptfigur der turbulenten Handlung ist Richard Hannay, der während einer Showveranstaltung auf die mysteriöse Annabella trifft. Die junge Schönheit besteht darauf, dass Hannay sie mit nach Hause nimmt, wo der überrumpelte Gastgeber eine durchgeknallte Agentengeschichte zu hören bekommt. Dass tatsächlich etwas nicht ganz koscher ist, merkt Richard spätestens, als Annabella ihm noch in derselben Nacht mit einem Messer im Rücken entgegensinkt. Auftakt für eine Reihe wilder Verfolgungsjagden, doch was genau da nun im Folgenden passiert, ist eigentlich gar nicht so wichtig. Entscheidend ist vielmehr das Wie. Immerhin gilt es, in Sekundenschnelle die unterschiedlichsten Szenerien zu schaffen, und für die vielen Dutzend Figuren stehen exakt vier Akteure zur Verfügung, von denen zwei einen Großteil der Rollen übernehmen, mal Schurken sind, gleich darauf Polizisten und im Bedarfsfall, siehe oben, auch Gegenstände.
Natürlich kann man nicht alle naselang komplette Bühnenbilder aufbauen. Infolgedessen müssen Andeutungen genügen: Eine eilig herbeigetragene Laterne markiert die Straße, drei Leitern ergeben eine Brücke. Drehbare Türen stehen für Innen- oder Außenräume, und was eben noch ein Rednerpult war, wird alsbald zum Bestandteil eines Autos. Und wenn alle Stricke reißen, gibt´s ein kurzes Schattenspiel. Dasselbe Reduktionsprinzip gilt für die Kostüme: Da muss schon mal ein Wechsel der Kopfbedeckungen die jeweiligen Figuren kennzeichnen. Oder auch nur eine Änderung der Sprachhaltung - und wenn das alles bedeutet, dass ein Akteur einen Dialog mit sich selbst führt, dann ist das eben so.
Regisseur Lars Wernecke gibt dem Affen mächtig Zucker. Seine Inszenierung ist schnell, sie ist laut, jedes nur denkbare Klischee wird lustvoll bedient. Thomas Wenzel als Hannay ist der Inbegriff des selbstgefälligen Helden. Werner H. Schuster und Lajos Wenzel übernehmen sämtliche Nebenrollen, darunter auch weibliche Partien: Beide sind sehr unterschiedliche Typen und ergänzen sich gut. Sara Wortmann stemmt herrlich überkandidelt die drei großen Frauenrollen: die sinistre Annabella, die zickige Pamela und die plattdeutsch schnackende Bauersfrau Margaret. Klingt alles etwas albern? Ist es, ist es - aber behauptet auch nie, etwas anderes zu sein. Deshalb sind der heftige Schlussbeifall und die Bravos verständlich. Davon bekommen auch Bühnenbildnerin Odilia Baldszun und Andrea Göttert, Herrscherin über die Kostüme, etwas ab. Und, eine schöne Geste, zwischendurch stehen vorne im Applausregen die vielen Mitarbeiter, die im Verborgenen wirken und ohne die eine solche Inszenierung gar nicht möglich wäre.
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